Stahlmarkt Consult Blog

In meinem Stahlmarkt-Blog befasse ich mich mit Neuigkeiten aus der Stahlmarkt-Welt und analysiere Trends und Marktentwicklungen.

Rostfrei-Markt: System der Legierungszuschläge vor Veränderungen

Am europäischen Rostfrei-Markt zeichnen sich größere Änderungen an der seit langem bestehenden Preis-Systematik ab. Die Diskussion über das bisherige System, in dem sich der Gesamtpreis aus einem Basispreis und einem monatlich für jede Güte neu veröffentlichten Legierungszuschlag zusammensetzt, schwelt in der Branche bereits seit längerem. Im September 2012 hatte der CEO von Aperam auf einer Branchenkonferenz der Debatte mit dem Vorschlag einen neuen Schub gegeben, die Preismethodik stärker an die bei Aluminium geübte Praxis anzulehnen und einen täglichen Preiszuschlag einzuführen. Einige Monate später sieht es so aus, als ob dieser Vorschlag jetzt umgesetzt wird.

Aperam teilte Anfang Mai mit, man sei mit Kunden in individuellen Gesprächen über die Einführung eines „LME-Plus“-Systems. Danach würde der vom Kunden zu zahlende Preis auf den Tagespreisen der relevanten Legierungsmittel an der Londoner Metallbörse (LME) plus einem individuell auszuhandelnden Aufschlag für die Herstellkosten basieren. Der neue europäische Marktführer Outokumpu kündigte Ende Mai an, in einer Pilotphase werde mit ausgewählten Kunden ein System täglich ermittelter Zuschläge am Markt getestet. Dabei hätten die Kunden die Wahl, ob für die Berechnung des Zuschlages die Legierungsmittelpreise am Tag der Bestellung oder am Tag der Lieferung zugrunde gelegt würden. Weitere Einzelheiten des möglichen neuen Systems sind noch nicht bekannt.

Beide Unternehmen begründen die Umstellung mit dem Ziel, das spekulative Bestellverhalten am Markt eindämmen zu wollen. Dieses ergibt sich daraus, dass der Legierungszuschlag bereits einige Wochen vor seiner Veröffentlichung antizipiert werden kann. Als weiteren Vorteil des vorgeschlagenen neuen Systems wird herausgestellt, dass es in Zeiten starker Schwankungen der Metallpreise besser dazu geeignet sei, schnell und marktnah auf Preisschwankungen zu reagieren.

Der Wunsch nach Änderungen am bestehenden Preissystem ist absolut nachvollziehbar. Die europäischen Rostfrei-Werke werden dabei vor allem getrieben von einer anhaltend schwierigen Ertragssituation. Zudem ergeben sich je nach Marktlage Wettbewerbsnachteile zu den asiatischen Rostfrei-Herstellern, die ohne einen monatlichen Legierungszuschlag auskommen.

Das bisherige System der Legierungszuschläge war für die Rostfrei-Hersteller in Zeiten steigender Legierungsmittelpreise durchaus lukrativ, weil es regelmäßig zu Windfall-Profits führte. Die Börsennotierungen für Nickel sind aber seit Anfang 2011 von ca. 30.000,- $/t fast durchgängig auf aktuell kaum noch mehr als 14.000,- $/t gesunken. Damit gibt es aus Herstellersicht praktisch keine Möglichkeit mehr, mit den Legierungszuschlägen Geld zu verdienen. Diese sind seit nun 2,5 Jahren im Trend nur noch gesunken.

Allerdings scheint die alleinige Umstellung des Systems auf eine tägliche Berechnung des Zuschlages zu kurz zu greifen. Weder können damit die Ertragsprobleme der Hersteller gelöst, noch „spekulatives“ Verhalten der Kunden ausgeschaltet werden.

Problematisch ist in der jetzigen Berechnungsmethodik nämlich vor allem, dass bei vielen Güten der „Zuschlag“ den Grundpreis bei weitem übersteigt. Daher ist zu fragen, ob die dem Zuschlag zugrundeliegenden „Auslöseschwellen“ der Legierungsmittelpreise noch zeitgemäß sind. Sinnvoller wäre es, einen höheren Anteil der Rohstoffkosten mit dem Grundpreis abzudecken und gleichzeitig die Transparenz über die tatsächlichen Kostenstrukturen zu verbessern. Denn die jetzigen Legierungszuschläge bieten, da wichtige Parameter der Berechnungsformel und der Zusammenhang zu den tatsächlichen Kosten offen bleiben, nur eine Pseudo-Transparenz. Der größte Handlungsbedarf ergibt sich also bei einer marktgerechten Gestaltung des Basispreises. Dies ist aber gerade in der aktuellen Marktsituation eine sehr heikle Frage, die sicher nicht einfach zu lösen ist.

Die Möglichkeit, mit einer Änderung der LZ-Systematik „spekulatives“ Bestellverhalten eindämmen zu können, sollte nicht überschätzt werden. Mit demselben Argument wurde schon vor einigen Jahren der den Legierungszuschlägen zugrundeliegende Berechnungszeitraum von zwei Monaten auf vier Wochen verkürzt. Offenbar hatte diese Umstellung nur begrenzten Erfolg. Die Wahrheit ist, dass starke Preisbewegungen auf der Rohstoffseite immer das Bestellverhalten für das davon betroffene Endprodukt beeinflussen werden. Dies geschieht unabhängig davon, ob ein Rohstoffzuschlag täglich, monatlich oder gar nicht erhoben wird und ist aus Einkäufersicht nicht spekulativ, sondern rational. Ein täglicher Zuschlag kann den Effekt zwar möglicherweise dämpfen, aber nicht ganz ausschalten.

Schließlich stehen die Reaktionen der Kunden noch weitgehend aus. Diese haben ein Interesse an einer gewissen Berechenbarkeit und auch Transparenz der Preise. Ob dem mit einem Tages-Zuschlag Rechnung getragen werden kann, ist abzuwarten.

Noch ist nicht sicher, ob und mit welchen Inhalten sich ein neues Preissystem am Rostfrei-Markt durchsetzen wird. Der dritte große europäische Rostfrei-Hersteller, Acerinox, hat bereits für den Juni keine Legierungszuschläge auf seiner Homepage mehr veröffentlicht. Ein Vertreter des Unternehmens wird von einem Fachdienst mit den Worten zitiert, das System der Legierungszuschläge sei „Geschichte“.

Sicher ist aber, dass eine Reform des Legierungszuschlages alleine die tiefer liegenden Probleme der europäischen Rostfrei-Hersteller nicht lösen wird.

© StahlmarktConsult Andreas Schneider. Nachdruck und Verwendung mit Quellenangabe ist erlaubt.

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