Stahlmarkt Consult Blog

In meinem Stahlmarkt-Blog befasse ich mich mit Neuigkeiten aus der Stahlmarkt-Welt und analysiere Trends und Marktentwicklungen.

„Alarmstufe Gelb“ am Rostfrei-Markt

Die Verarbeiter von rostfreiem Edelstahl hatten in den vergangenen Jahren auf der Preisseite ein recht entspanntes Leben. Die Grundpreise für dieses Material waren seit Anfang 2012 recht stabil, die Legierungszuschläge (LZ) sind bei den meisten Güten beständig gesunken. Für Flachprodukte der austenitischen Standard-Güte 1.4301 hat sich der LZ vom Frühjahr 2011 bis zum Jahresanfang 2014 auf ca. 1000,- €/t halbiert. Die Effektivpreise aus Grundpreis und LZ sind im ersten Quartal 2014 auf den niedrigsten Stand seit Anfang 2010 gefallen.

In den vergangenen Wochen hat sich der Markt aber in einer Weise verändert, die von Einkäufern wieder eine erhöhte Aufmerksamkeit verlangt. Am wichtigsten ist der steile Preisanstieg der Legierungsmetalle Nickel und Molybdän, die beide an der Londoner Metallbörse (LME) gehandelt werden. Die LME-Nickelnotierungen sind von unter 14.000,- $/t am Jahresanfang bis Mitte Mai auf knapp 21.000,- $/t gestiegen, bevor zuletzt ein Rückgang auf ca. 18.500,- €/t erfolgte. Damit ist im bisherigen Jahresverlauf ein Kursplus von ca. 35% zu verzeichnen. Bei den weniger im Fokus stehenden Molybdännotierungen setzte mit Beginn des zweiten Quartals ein rasanter Höhenflug an. Der aktuelle Kurs liegt bei 31.500,- $/t. Der Anstieg von fast 50% gegenüber dem Jahresanfangskurs passierte in nur wenigen Wochen.

Zu dem Kurssprung bei Nickel beigetragen hat das im Januar von der indonesischen Regierung verhängte Ausfuhrverbot für unraffinierte Nickelerze. Aus diesen Erzen wird in China in großem Mengen der Rohstoff Nickel Pig Iron (NPI) hergestellt und als Substitut für Primär-Nickel bei der Rostfrei-Produktion verwendet. Zudem haben Spekulationen um die Verhängung von Wirtschaftssanktionen gegen Russland, die die russischen Nickelexporte treffen könnten, den Kursanstieg angeheizt. Als Begründung für den Höhenflug bei Molybdän wird eine steigende Nachfrage in Kombination mit Meldungen über Verzögerungen bei Minenerschließungen genannt.

Wie lange die Hausse der Notierungen noch anhalten wird (bzw. ob bei Nickel der Kursrückgang der letzten Tage schon eine Umkehr einleitete), ist umstritten. Die Nickelnotierungen liegen schon weit über den vorherrschenden Prognosen und viele Analysten rechnen mit einem Rückschlag. Allerdings haben die meisten Analysten auch die strikte Umsetzung des indonesischen Exportverbotes für wenig wahrscheinlich gehalten und die Auswirkungen des Verbots auf die Nickelnotierungen unterschätzt.

Jedenfalls sind bei den betroffenen austenitischen Rostfrei-Güten die LZ im Jahresverlauf schon deutlich gestiegen, bei Standardgüten zwischen Januar und Mai um ca. 20%. Für Juni ist ein weiterer Anstieg der für die Industrie maßgeblichen monatlichen LZ absehbar. Solange der LZ als durchlaufender Posten gehandhabt wird, ist der Anstieg an sich kein Problem. Wo dies nicht der Fall ist, sollten die Vertragsgestaltungen schleunigst überprüft werden – das Risiko ist gestiegen.
 
Üblicherweise führen steigende LZ zu einer erhöhten Bestelltätigkeit des Handels bzw. zu einem Lageraufbau. Dieser führt zu einem engen Markt, der wiederum höhere Grundpreise zur Folge hat. Inwiefern dieser Mechanismus durch den von Marktführer Outokumpu  ab dem 1. Januar 2014 für Händlerkunden eingeführten täglichen Legierungszuschlag, der am Markt aber noch keine uneingeschränkte Akzeptanz findet, abgeschwächt wird, kann noch nicht beurteilt werden.

Bisher scheint die Lageraufstockung nur in einem überraschend begrenzten Ausmaß stattzufinden. Viele Marktteilnehmer scheinen noch nicht von der Nachhaltigkeit des Umschwungs überzeugt zu sein. Die Basispreise sind bisher weniger stark gestiegen als von den Herstellern angekündigt. Diese berichten schon seit Monaten von einer deutlich verbesserten Auftragslage, weil auch die Endnachfrage nach rostfreiem Stahl gestiegen ist. Die Lieferzeiten liegen bei vielen Güten nun über drei Monaten.

Es ist durchaus realistisch, dass die Grundpreise vor allem bei den nickel- und molybdänhaltigen austenitischen Güten in den kommenden Monaten anziehen werden. Industriekunden, die die Grundpreise nicht über Jahresverträge abgesichert haben, wären hiervon unmittelbar betroffen.

Einkäufer sollten sich darauf einstellen, dass sich das Umfeld am Rostfrei-Markt geändert hat. Panik ist nicht angesagt, aber eine intensive Beobachtung des Marktes und eine Überprüfung der Vertragsgestaltungen mit Lieferanten und Kunden. Nur der Gleichlauf von Preisbindungen ermöglicht die Minimierung von Risiken.


© StahlmarktConsult Andreas Schneider. Nachdruck und Verwendung mit Quellenangabe ist erlaubt.

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