Neuer Stresstest für den Stahlmarkt: Stahlmarkt-Brief Nr. 2/2022

7.04.2022
Der Angriffskrieg in der Ukraine und die nachfolgenden Reaktionen unterziehen den europäischen Stahlmarkt einem neuen Stresstest, der die schon enormen Herausforderungen des Vorjahres nochmals übertrifft. Derzeit sind die Auswirkungen der Krise auf Angebot, Nachfrage und Kosten noch nicht voll zu übersehen. Viele Ungewissheiten werden in den kommenden Wochen weiter bestehen. Dennoch lassen sich erste Bewertungen vornehmen.

Der Prozess zu einer Normalisierung der Angebots-Nachfrage-Relation ist zunächst gestoppt und die Versorgungsfrage stellt sich neu. Ausfallende Lieferungen bei Walzstahl, Halbzeugen und Rohstoffen könnten Lücken in die Versorgung reißen. Noch ist nicht klar, wie groß diese tatsächlich ausfallen werden. Die direkten Versorgungsrisiken sind bei den einzelnen Erzeugnissen unterschiedlich hoch. Am stärksten betroffen sind Grobbleche. Aber auch die Stahlnachfrage wird schwächer werden.
Bei Lang- und Rostfrei-Produkten, die in Elektrostahlwerken erzeugt werden, stehen weniger Risiken bei der Rohstoffversorgung als der Umgang mit hohen und volatilen Energiepreisen im Fokus. Es ist bereits zu Produktionsausfällen gekommen, die noch nicht quantifizierbar sind.

Die Spotmarktpreise sind dramatisch gestiegen und haben vorige Rekorde pulverisiert. Nachdem der Anstieg bis Mitte März sehr dynamisch war, zeigte sich zuletzt eine gewisse Beruhigung. Bei Flachprodukten kommt es aktuell wieder zu kleineren Rückgängen. Dieser Anstieg ist nicht alleine mit höheren Erzeugungskosten erklärbar. Voraussetzung für eine solche Entwicklung ist im Normalfall, dass die Nachfrage deutlich das Angebot übertrifft. Ander als in der Hochpreisphase des Vorjahres kann dies mit den vorliegenden Informationen bisher nicht konstatiert werden. Bei vielen Erzeugnissen spielen Versorgungsängste und eine verbreitete Unsicherheit eine größere Rolle als eine echte Knappheit.

Solange die zahlreichen Unsicherheiten bestehen bleiben, dürften sich die Preise insgesamt auf sehr hohem Niveau halten. Aufgrund der Situation auf der Import- und auf der Rohstoffseite scheint es aber immerhin möglich, dass die Spotmarktpreise für Flachprodukte ihren höchsten Stand schon gesehen haben. Bedingung dafür ist, dass es in der EU zu keinen größeren Produktionsausfällen kommt.

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