Im Jahr 2014 war der globale Stahlmarkt von zwei „Anomalien“ geprägt: Dem extremen Preis-Premium, das der US-Markt vor allem bei Flachstahl gegenüber dem Rest der Welt genoss, und dem Auseinanderlaufen der Eisenerz- und der Schrottpreise. Beide Phänomene waren je schwerer zu erklären, je länger sie andauerten. Nachdem die erwarteten Korrekturen im vergangenen Jahr länger als gedacht auf sich warten ließen, haben sowohl die internationalen Schrottnotierungen als auch die US-Flachstahlpreise zuletzt kräftig nachgegeben.
Am internationalen Schrottmarkt hat sich im Februar der schon seit dem Herbst 2014 spürbare Abwärtstrend beschleunigt. Abgesehen von einer kleinen Verschnaufpause um den Jahreswechsel sind die Preise deutlich gefallen. Der als wichtiger Indikator für den globalen Markt geltende türkische Importpreis für HMS (Heavy Melting Scrap), der noch im August 2014 bei ca. 380,- $/t gelegen hatte, notierte im Februar unter 250,- $/t. Dies ist ein Rückgang um ca. 35% in sechs Monaten. Ähnlich sah die Preisbewegung am US-Inlandsmarkt aus, wo die Schrottpreise in den ersten beiden Monaten des Jahres 2015 um ca. 100,- $/t gefallen sind.
Mit dem scharfen Preisrückgang bei Stahlschrott hat sich die Preisdifferenz zwischen Eisenerz und Schrott wieder ein Stück weit verringert (siehe Grafik). Die Eisenerzpreise waren 2014 um über 50% gefallen. Die immer größere Diskrepanz zwischen Schrott- und Eisenerzpreisen hatte zu Wettbewerbsverzerrungen bei Stahlerzeugnissen geführt, die sowohl über die Hochofenroute als auch im Elektrostahlverfahren hergestellt werden können. Insbesondere bei Langprodukten sind chinesische Anbieter in klassische Absatzregionen von Herstellern aus anderen Ländern vorgedrungen. Aufgrund der langfristig engen Bindung der Schrott- an die Eisenerzpreise war die Korrektur bei Schrott lange erwartet worden.
Die deutschen Schrottpreise sind im internationalen Vergleich bisher vergleichsweise moderat gesunken. Nach einem leichten Anstieg im Januar wurde im Februar über Preisreduzierungen von ca. 20,- €/t berichtet. Gegenüber dem Vorjahresmonat ergibt sich ein Rückgang von etwas mehr als 15%. Auch wenn der europäische Markt nicht alleine von internationalen Einflüssen abhängt, sind weitere Preisrückgänge wahrscheinlich. Die sinkenden Schrottpreise führen zu deutlich niedrigeren Herstellkosten der Elektrostahlwerke. Angesichts der aktuell schwachen Stahlnachfrage dürfte daher der Preisdruck bei baunahen Langprodukten in den kommenden Wochen zunehmen. In abgeschwächter Form gilt dies auch für die integrierten Hüttenwerke, bei denen aber ein nur kleiner Teil der Rohstoffkosten auf Schrott entfällt.
Ebenso lange erwartet worden war der Preisrückgang am US-Flachstahlmarkt, der sich über weite Strecken des vergangenen Jahres vom Preisrückgang am Weltmarkt abgekoppelt hatte. Auch wenn sich durchaus spezifische Umstände des US-Marktes als Begründung für ein höheres Preisniveau anführen lassen, schien der Abstand zum Rest der Welt vielen Marktbeobachtern einfach zu groß. Im Sommer 2014 lagen die Spotmarktpreise für das Referenzprodukt Warmbreitband in den USA noch fast 200,- $/t höher als in Europa. Neben verschiedenen weiteren Faktoren haben vor allem die stark gestiegenen Importe dazu geführt, dass die amerikanischen Preise in den vergangenen Wochen deutlich gesunken sind. Alleine seit dem Jahresbeginn werden bei Warmbreitband Preisrückgänge von deutlich mehr als 100,- $/t gemeldet.
Damit hat sich der Preisabstand zum Weltmarkt wieder etwas verkleinert. Da aber vor allem die chinesischen und russischen Exportpreise ebenfalls gefallen sind, bleibt der Abstand des US-Marktes gegenüber den niedrigsten Angeboten beträchtlich. Ob sich die Schere in den kommenden Monaten weiter schließen wird, muss abgewartet werden.
Für die Stahlhersteller der EU, die wegen der Euroabwertung ihre Ausfuhren in den Dollar-Raum in den vergangenen Monaten erheblich gesteigert haben, ist der jüngste Preisrückgang in den USA negativ. Zum einen wird der Export weniger lukrativ. Zum anderen dürfte es angesichts des deutlichen Preisrückgangs in fast allen Regionen der Welt noch schwieriger werden, die im Inland angestrebten Preiserhöhungen noch umzusetzen.