Der März verlief am internationalen Stahlmarkt außerordentlich turbulent. Zunächst kündigte US-Präsident Trump die Verhängung von Strafzöllen auf US-Stahlimporte an und setzte damit weltweit ein Feilschen um Ausnahmen in Gang. Die EU leitete am 26.03. eine „Schutzmaßnahmenuntersuchung“ ein, an deren Ende eine Begrenzung der gesamten Stahleinfuhren der EU stehen könnte. Am chinesischen Stahlmarkt und bei wichtigen Rohstoffen waren deutliche Preisrückgänge zu beobachten. Noch ist die Wirkung der unterschiedlichen Einflüsse schwer einzuschätzen. Es ist aber möglich, dass bei den Stahlpreisen eine Kehrtwende bevorsteht. Jedenfalls erscheint die Lage deutlich weniger stabil als noch vor einigen Wochen.
US-Zölle: Große Aufregung, wenig Wirkung?
Die US-Strafzölle von 25% auf Stahleinfuhren waren weltweit das Top-Thema am Stahlmarkt. Die große mediale Aufmerksamkeit überdeckt, dass die direkten Auswirkungen der Zölle begrenzt bleiben könnten. Nach aktuellem Stand sind Importe aus den fünf wichtigsten Herkunftsregionen Kanada, EU, Mexiko, Brasilien und Süd-Korea sowie aus Argentinien und Australien mindestens vorläufig bzw. teilweise ausgenommen. Bleibt es dabei, sind insgesamt mehr als 60% der US-Importe nicht von den Zöllen betroffen. Das nährt den Eindruck, dass die Stahl-Zölle gar nicht unbedingt im Vordergrund stehen, sondern vor allem als Hebel für handelspolitische „Deals“ dienen sollen.
Es wird zusätzlich damit gerechnet, dass US-Kunden mehr als 4.500 Anträge auf erzeugnisspezifische Ausnahmen stellen werden. Zudem dürften viele Lieferungen in die USA aufgrund der dort astronomisch hohen Preise auch unter Inkaufnahme der Zölle attraktiv bleiben. Das ursprüngliche Ziel, die Stahlimporte des Landes um 13,3 auf 22,7 Mio. Tonnen zu reduzieren, dürfte so schnell nicht erreicht werden. Es sieht danach aus, dass die zusätzlichen Mengen am Weltmarkt zunächst einmal überschaubar bleiben. Dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass alleine die chinesischen Stahl-Exporte zwischen 2015 und 2017 um ca. 35 Mio. gefallen sind und weiter eine stark rückläufige Tendenz zeigen.
Preisrückgänge in China und bei Rohstoffen: Vorboten einer Wende?
Allerdings sind neben den reinen Mengenwirkungen auch die Wirkungen auf die Marktstimmung zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist die jüngste Entwicklung am asiatischen Markt besonders interessant. Von der Tagespresse weitgehend unbeachtet waren im März am chinesischen Stahlmarkt deutliche Preisrückgänge zu beobachten. Die Warmbreitbandpreise haben sowohl am Inlands- als auch am Exportmarkt um ca. 50,- bis 60,- $/t nachgegeben. Bei Betonstahl und Knüppeln sind die Preise noch stärker gefallen. Auslöser dafür war die Feststellung, dass die Stahlnachfrage in China bisher nicht so stark gestiegen ist, wie es große Teile des Marktes erwartet hatten. Dagegen lag die Rohstahlerzeugung des Landes trotz der Produktionsbeschränkungen im Februar fast 6% höher als im Vorjahr. Zusätzlich zog die aufkommende Furcht vor einem Handelskrieg zwischen den USA und China die Rohstoffbörsen des Landes nach unten. Die Eisenerzpreise, die Anfang März knapp unter 80,- $/dmt notierten, liegen aktuell unter 65,- $/dmt. Auch die Preise für Kokskohle sind um mehr als 10% gesunken. Die Diskussion um die Auswirkungen der US-Zölle hat diese Preisrückgänge nicht ausgelöst, aber verstärkt.
Die Preiskorrektur in China ist noch zu frisch, um eine echte Wende auszurufen. Sofern es aber nicht kurzfristig zu einer Gegenbewegung kommt, dürften die Stahlpreise weltweit – mit Ausnahme der USA - unter Druck geraten. Daher ist es gut möglich, dass in den kommenden Wochen niedrigere Importpreise das hiesige Preisniveau wieder unterbieten werden. Erste Anzeichen dafür sind am Markt bereits sichtbar. Sollte es so kommen, muss sich bei den einzelnen Erzeugnissen zeigen, wie gut die Auslastungs- und Buchungssituation der Werke tatsächlich ist.
EU-Gegenmaßnahmen: Eine ernste Gefahr für den Wettbewerb
Das aus Sicht des Stahleinkaufs verbesserte Marktumfeld wird allerdings durch einen Faktor wesentlich eingetrübt. Leider hat die EU-Kommission sehr schnell dem massiven Druck der Stahlbranche und deren übertriebenen Warnungen vor einer „Stahlschwemme“ nachgegeben und am 26.03. eine „Schutzmaßnahmenuntersuchung“ eingeleitet. Der Inhalt der entsprechenden Veröffentlichung lässt den Schluss zu, dass es hier um mehr gehen könnte als um eine reine Reaktion auf die US-Zölle. Offenbar ist die Bereitschaft vorhanden, das für eng gefasste Ausnahmen gedachte Instrument der Schutzmaßnahmen (safeguards) bis aufs Äußerste zu dehnen. Daher ist das Risiko real, dass infolge dieser Untersuchung die gesamten Stahleinfuhren der EU innerhalb von wenigen Monaten durch die Einführung von Quoten und/oder Zöllen begrenzt werden. Möglicherweise werden die „freien“ Einfuhren dann deutlich unterhalb des Niveaus von 2017 festgelegt. Die Folgen für Wettbewerb und Preise in der EU könnten je nach Ausgestaltung der Schutzmaßnahmen massiv sein. Inwieweit schon die Einleitung der Untersuchung die Preisentwicklung in der EU beeinflussen wird, muss aber abgewartet werden.
Politischer Markt schafft Unsicherheit
Die handelspolitischen Entscheidungsprozesse beidseits des Atlantiks sind noch nicht abgeschlossen. Überraschende Wendungen scheinen nicht nur möglich, sondern wahrscheinlich. Das führt zu einem politischen Markt, der auf die jeweils aktuelle Nachrichtenlage reagieren wird. Fakt ist zunächst nur die Unsicherheit darüber, wie es weiter gehen wird. Aktuell werden viele Beschaffungsentscheidungen aufgrund der großen Unsicherheit auf Eis gelegt. In diesem von Nervosität geprägten Marktumfeld dürfte es schwer sein, noch höhere Preise umzusetzen. Daher könnte zumindest bei Flachstahl der Höhepunkt des laufenden Preiszyklus demnächst erreicht sein.