Zweifellos hat die Entwicklung des deutschen Stahlmarktes im Jahr die Erwartungen vieler Anbieter enttäuscht. Vor allem das zweite Halbjahr verlief schwächer als noch zur Jahresmitte gedacht. In Deutschland hat die Marktversorgung mit Walzstahlerzeugnissen auf Jahressicht um zwei Prozent auf 39 Millionen Tonnen zugenommen, nachdem ursprünglich ein Plus von vier Prozent erwartet worden war. Für das neue Jahr erwartet die Wirtschaftsvereinigung Stahl einen Anstieg der Stahlnachfrage um 1 bis 2 Prozent und bezeichnet diesen Ausblick als „bewusst konservativ“. Das Marktumfeld bleibe schwierig und erhebliche Risiken bestünden fort, so der Verband in seinem gerade vorgelegten Jahres-ausblick.
Stahleinkäufer konnten im vergangenen Jahr in vielen Fällen von niedrigeren Stahlpreisen profitieren. Im neuen Jahr ist Wachsamkeit angesagt. Obwohl aktuell preisdämpfende Faktoren überwiegen, könnte sich das im Verlauf des neuen Jahres unter Umständen ändern.
Aktuell bestimmen, wie über weite Strecken des Vorjahres, verschiedene tendenziell preissenkende Einflüsse das Stahlmarktgeschehen. Dazu gehört der unerwartet tiefe Fall der Rohstoffpreise, die Schwäche des Marktes in China, das mengen- und preismäßig extrem wettbewerbsintensive internationale Umfeld sowie die Tatsache, dass das Marktvolumen in der EU immer noch fast 30% unter dem Niveau von 2007 liegt.
In diesem schwierigen Umfeld dürfte es vielen deutschen Herstellern dennoch gelungen sein, die Unternehmensergebnisse gegenüber dem Vorjahr zu verbessern. Hauptgrund dafür ist, dass im Marktdurchschnitt die Stahlpreise weniger stark als die Rohstoffkosten gefallen sind.
Beim Blick auf die kommenden drei Monate ist es schwierig einzuschätzen, inwieweit die bei verschiedenen Stahlerzeugnissen angekündigten Preiserhöhungen umgesetzt werden können. Durch den saisonal am Jahresanfang zu erwartenden Bestandsaufbau dürfte sich die Stahlnachfrage gegenüber dem vierten Quartal 2014 verbessern. Solange die zuletzt recht stabil scheinenden Rohstoffpreise keinen kräftigen Anstieg erfahren, wird der Lagereffekt allerdings wie im Vorjahr nur eher schwach ausfallen. Das internationale Preisumfeld ist aktuell weiter von Rückgängen gekennzeichnet. Ein stärkerer Preisanstieg müsste von einer unerwartet guten Nachfrage oder von höheren Rohstoffkosten getragen werden. Beides ist aktuell nicht in Sicht.
Die für 2015 von Banken und Verbänden vorgelegten Prognosen zum Stahlmarkt in der EU gehen einheitlich davon aus, dass sich der Prozess des nur zögerlichen Wachstums fortsetzen wird. Vielfach werden Zuwachsraten zwischen 1,5% und 2,5% genannt. Damit bleibt die Grundsituation, schwaches Mengenwachstum bei intensivem Wettbewerb, bestehen. Auch auf globaler Ebene werden beide Merkmale prägend bleiben.
Allerdings ist die Lage nicht ganz so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Stahleinkäufer sollten vor allem drei Faktoren im Auge behalten, die im Jahresverlauf unter Umständen zu höheren Preisen führen könnten:
• Die Rohstoffpreise sind mittlerweile auf ein Niveau gefallen, auf dem weitere Rückgänge immer weniger wahrscheinlich werden. Zahlreiche Analysten haben zwar zuletzt ihre Preisprognosen für Eisenerz noch einmal gesenkt. Aber Analysten liegen oft daneben. Und es ist zu bedenken, dass stabile Dollarpreise bei weiterer Euro-Abwertung zu einem Anstieg der in Euro gerechneten Kosten führen. Ein Anstieg der Rohstoffpreise würde die Erwartung weiterer Stahlpreisreduzierungen aufheben und sich über Lagerzyklen auf die Stahlpreise übertragen.
• Die starke Abwertung des Euro, der gegenüber dem US-Dollar in einem Jahr fast 15% verloren hat, wirkt sich deutlich am hiesigen Stahlmarkt aus. Die Exporte der EU-Hersteller steigen an, was schon in den vergangenen Monaten die Schwäche des Inlandsmarktes kompensiert hat. Importe aus vielen Drittländern werden preislich unattraktiver und die Kosten der dollarnotierten Rohstoffe stellen sich für EU-Hersteller in der Tendenz höher dar. Allerdings haben Länder wie Russland oder Brasilien, deren Währung noch stärker abwertet, auf den Exportmärkten noch größere Wettbewerbsvorteile. Insgesamt nimmt der Einfluss der kaum vorhersehbaren Wechselkursbewegungen auf den globalen Stahlmarkt zu.
• Es besteht immerhin die Möglichkeit, dass sich die Konjunktur und damit der Stahlbedarf in diesem Jahr besser entwickeln werden als es heute mehrheitlich erwartet wird. Die im vorigen Jahr am Stahlmarkt spürbare konjunkturelle Schwächephase scheint überwunden. Der stark gesunkene Ölpreis und der schwache Euro kommen der exportorientierten Industrie insgesamt konjunkturfördernd zugute (auch wenn die Stahlnachfrage aus dem Energiebereich gleichzeitig gedämpft wird). Die zahlreichen politischen Krisen bleiben allerdings ein großer Unsicherheits-faktor.
In meinem quartalsweise erscheinenden Stahlmarkt-Brief werden die für die Stahlmarktentwicklung wichtigsten Einflussgrößen analysiert und im Hinblick auf die weitere Marktentwicklung bewertet. Der Stahlmarkt-Brief für das vierte Quartal 2014, der zahlreiche Grafiken zur Entwicklung der wichtigsten Einflussfaktoren am deutschen Stahlmarkt enthält, ist gerade erschienen. Informationen dazu finden Sie hier http://www.stahlmarktconsult.de/leistungen