Stahlmarkt Consult Blog

In meinem Stahlmarkt-Blog befasse ich mich mit Neuigkeiten aus der Stahlmarkt-Welt und analysiere Trends und Marktentwicklungen.

Eine „Deutsche Stahl AG“ ist keine Lösung!

In der Stahlbranche wird derzeit, befeuert durch Medienveröffentlichungen, über die Bildung einer „Deutsche Stahl AG“ diskutiert. So schrieb das Handelsblatt am 13.02.2013 in einem Leitartikel unter dem Titel „Letzte Chance Deutsche Stahl AG“, die Zusammenführung der Stahlproduktion von Thyssen-Krupp, Salzgitter, Dillinger Hütte und Saarstahl sei der „einzig vernünftige Weg“ zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen. Die Rheinische Post berichtete im April: „Angeblich gibt es in den Chefetagen schon Blaupausen – teilweise sollen auch kleinere deutsche Hersteller und die österreichische Voestalpine mit in das Planspiel einbezogen sein.“ Der Saarstahl-Vorstandsvorsitzende Blessing erteilte Ende März in der FAZ dagegen entsprechenden Plänen eine Absage. Das Zusammengehen inländischer Wettbewerber würde „wenig bis gar nichts“ bringen, wird Blessing zitiert.

Würde eine „Deutsche Stahl AG“ Sinn machen? Zunächst einmal stimmt die Diagnose, dass die Ertragssituation fast aller deutschen Stahlhersteller derzeit schwierig ist. Im vergangenen Geschäftsjahr haben sich die Ergebnisse noch einmal richtig verschlechtert. Die Frage ist, ob ein neuer deutscher Stahlgigant den Gründen für die Ertragsmisere besser entgegen wirken könnte.

Das „mächtige Oligopol der Rohstofflieferanten“, das den Stahlherstellern die Preise „fast nach Belieben diktieren“ kann, wird immer wieder gerne ins Feld geführt. Alleine, auch durch ständige Wiederholung wird das Argument in seiner Pauschalität nicht richtiger. Die Eisenerzpreise haben ihren Höchststand im Jahr 2011 gesehen und sind auf Jahressicht im Jahr 2012 um mehr als 20% gesunken. Der führende Minenkonzern Vale beziffert den durchschnittlichen realisierten Verkaufspreis für Eisenerz im Jahr 2012 auf 96,77 $/t, nach 136,07 $/t in 2011 und 103,55 $/t im Jahr 2010. Für metallurgische Kohle sind die Vale-Verkaufspreise im Jahresmittel 2012 um 27% gesunken. Die Preise für diese Rohstoffe werden zunehmend am Spotmarkt in China gemacht. Heftige Schwankungen in beide Richtungen und der insgesamt nach unten zeigende Preistrend beweisen, dass von einem Diktat keine Rede sein kann.

Fakt ist, dass sich die Ergebnisse der deutschen Stahlhersteller im vergangenen Jahr trotz gesunkener Rohstoffpreise verschlechtert haben. Die Entlastung ist offenbar nicht ganz bei den Unternehmen angekommen. Dies liegt auch an den Vertragsgestaltungen. Quartals-, Halbjahres- oder Jahresverträge bieten Planungssicherheit und können in Zeiten steigender Spotmarktpreise für Windfall-Profits sorgen. Dies gilt aber eben auch umgekehrt. Jedenfalls spricht vieles dafür, dass die Rohstoffkosten durch eine Optimierung des Bestands- und Einkaufsmanagements eher zu senken sind als durch die Bündelung von Einkaufsmengen in einer „Deutschen Stahl AG“, zumal die von den deutschen Stahlunternehmen benötigten Erz- und Kohlemengen in globaler Perspektive verschwindend gering sind.

Auch das Argument, den deutschen Stahlunternehmen ermangele es an Marktmacht, um gegenüber der Automobilindustrie die nötigen höheren Preise durchzusetzen, ist nicht stichhaltig. Denn es wird dabei übersehen, dass ein großer Teil des Stahls nicht direkt an die Automobilunternehmen geliefert wird, sondern den Umweg über die Zulieferer der ersten und zweiten Verarbeitungsstufe nimmt. Hier ist die Marktmacht oft auf Seiten der Stahllieferanten. Es ist nicht allzu lange her, dass kräftige Stahlpreiserhöhungen durchgesetzt wurden und dass die angeblich so wenig marktmächtigen Stahlunternehmen (auch und gerade bei steigenden Rohstoffpreisen) Rekordergebnisse erzielten. Einer „Stahl-AG“ bedurfte es hierfür nicht. Ganz abgesehen von kartellrechtlichen Erwägungen und von der Frage, ob die großen Stahlkunden ihre Einkaufsmengen ohne Abstriche auf eine fusionierte „Stahl-AG“ übertragen würden.

Bleibt die Frage, ob eine „Deutsche Stahl AG“ helfen würde, der schwachen Stahlnachfrage besser zu begegnen. Zunächst muss hierzu festgestellt werden, dass die deutsche Walzstahlerzeugung durchaus auf Nachfrageschwankungen reagiert und nicht durch eine anhaltende Überproduktion charakterisiert ist. Stahlnachfrage und Kapazitätsauslastung bewegen sich in Deutschland zudem immer noch auf einem deutlich höheren Niveau als in den übrigen EU-Ländern.

Die meisten Anlagen zur Stahlerzeugung benötigen eine Mindestauslastung, um profitabel zu arbeiten. Eine höhere Auslastung würde die Rentabilität erhöhen. Optionen dazu werden gerade in den Unternehmen geprüft. Die Annahme, eine konzentrierte „Deutsche Stahl AG“ würde bessere Ergebnisse erzielen können als die einzelnen Unternehmen, scheint zu optimistisch. Die deutschen Stahlhersteller operieren in unterschiedlichen Teil-Märkten. Erzeugungsprozesse, Marktstrukturen und Absatzmärkte unterscheiden sich teilweise erheblich. Schon alleine diese Heterogenität würde einer „Stahl AG“ zielführende Reaktionen auf Marktschwankungen erschweren. Ob es für eine gemeinsame Stahl-Holding leichter wäre, einzelne Anlagen temporär stillzulegen, ist fraglich. Hochöfen können schon aus technischen Gründen nicht mal eben schnell hoch oder herunter gefahren werden. Und vollständige Stilllegungen sind auf (regional) politischer Ebene unabhängig von den Unternehmensstrukturen schwierig.

Insgesamt wirken Überlegungen zur Schaffung eines „nationalen Champions“ wenig erfolgversprechend und ziemlich antiquiert. Schließlich ist die deutsche Stahlindustrie Teil eines europäischen oder sogar globalen Marktes. Nationale Größe alleine ist vor diesem Hintergrund erst recht keine Lösung.

© StahlmarktConsult Andreas Schneider. Nachdruck und Verwendung mit Quellenangabe ist erlaubt.

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