Die Stahlpreisentwicklung in der EU ist über einen längeren Zeitraum in erster Linie von den Rohstoffkosten und natürlich von der Angebots-/Nachfragerelation bei den einzelnen Erzeugnissen bestimmt worden. In den vergangenen Monaten ist der Euro-Wechselkurs zum US-Dollar als weiterer wichtiger Faktor hinzugekommen. Die Euroschwäche schirmt den EU-Markt von Weltmarkteinflüssen ab. Sinkende Rohstoff- und Weltmarktpreise kommen beim hiesigen Stahleinkäufer nur in abgeschwächter Form an.
Im Monatsmittel liegt der Wechselkurs des Euro gegenüber dem Dollar im November um ca. zehn Prozent niedriger als noch im April. Alleine seit Juli ist der Außenwert des Euro um mehr als 10 Cent gefallen. Bezogen auf den EU-Stahlmarkt hat diese starke Abwertung vor allem drei Konsequenzen, die allesamt die EU-Stahlpreise stützen:
-
Der Rückgang der dollarnotierten Rohstoffpreise wird spürbar gedämpft. Relevant ist dies derzeit vor allem bei den Eisenerzpreisen, die auf Dollarbasis einen kaum für möglich gehaltenen Absturz erleben. Der Preis für Feinerz mit 62% Fe-Gehalt lag im November im Monatsmittel um 25,- $/t niedriger als im Mai. In Euro gerechnet liegt der Rückgang nur bei ca. 13,- €/t. Wäre der Euro noch so stark wie im Mai, würde der Rückgang bei fast 20,- €/t liegen. Ähnlich verhält es sich mit den Schrottpreisen, die seit September am internationalen Markt um ca. 80,- $/t gefallen sind.
-
Dollarnotierte Importe aus Drittländern, die einen großen Einfluss auf die Preisbildung in der EU haben, werden unattraktiver. Eine Tonne Stahl zu 550,- $/t kostete den EU-Importeur im Juli 407,- €/t. Bei unverändertem Preis müsste er aktuell 442,- €/t zahlen. Selbst bei einer zwischenzeitlichen Preisreduzierung um 50,- $/t läge der zu zahlende Europreis bei 403,- €/t und damit kaum unter dem Ausgangsniveau. Aufgrund dieses Effektes hat sich der Preisabstand der EU-Werke zu Angeboten aus Drittländern kaum erhöht, obwohl die dollarnotierten globalen Stahlpreise bei den meisten Erzeugnissen aufgrund der niedrigeren Rohstoffkosten in den vergangenen Wochen deutlich gesunken sind.
-
Schließlich hilft der schwache Euro den EU-Herstellern auch beim Export in Drittländer. Nicht von ungefähr meldete die Wirtschaftsvereinigung Stahl für die deutschen Hersteller im dritten Quartal ein Plus der Bestellungen aus Drittländern von 25% gegenüber dem Vorjahr. Der Index des Auftragseingangs des Statistischen Bundesamtes weist bis September für die Stahlindustrie ebenfalls ein Plus der Bestellungen aus der Nicht-Eurozone um fast 30% aus, während die Bestellungen aus dem Inland im Minus liegen. Die Zuwächse gehen sicher nicht nur auf Wechselkurseffekte zurück. Der schwache Euro verbessert aber die Situation der EU-Hersteller auf den hart umkämpften globalen Märkten deutlich.
Aufgrund zahlreicher negativer Faktoren stehen die Stahlpreise derzeit zwar auch in Deutschland verbreitet unter Druck. Stahleinkäufer sollten aber aus dem Blick auf die internationalen Notierungen keine übertriebenen Hoffnungen ableiten. Solange der Preisabstand zwischen den EU-Preisen und den auf Eurobasis kalkulierten Importpreisen relativ gering bleibt, dürften die Preise am Spotmarkt nicht stark sinken. Der auch auf Eurobasis vorhandene kräftige Rückgang der Rohstoffkosten in den vergangenen zwölf Monaten ist nur ungefähr zur Hälfte bei den Flachstahlpreisen angekommen. Die enge Korrelation zwischen Rohstoffkosten und Stahlpreisen hat sich im Jahresverlauf ein Stück weit gelockert. Während dies im ersten Halbjahr noch mit der verbesserten Nachfragesituation erklärt werden konnte, ist in den vergangenen Monaten hauptsächlich die ausgeprägte Schwäche des Euro als Ursache zu nennen.