Am Ende des Jahres 2017 liegen die Stahlpreise bei Flachprodukten überwiegend etwas niedriger und bei Langprodukten deutlich höher als vor einem Jahr. Der kurzfristige Preistrend weist bei vielen Erzeugnissen nach oben. Gemessen an den Rohstoffkosten liegen die Stahlpreise aber schon jetzt auf einem unüblich hohen Niveau. Dies spiegelt sich wider in den Geschäftsabschlüssen der Stahlhersteller, von denen viele die seit Jahren höchsten Gewinne aufweisen. Wird sich die Hochpreisphase im Jahr 2018 fortsetzen? Oder wird der Hochseilakt ein jähes Ende finden? Einschätzungen dazu enthält der Marktausblick für das Jahr 2018.
Stahlmarkt Consult Blog
Der im Oktober vorgelegte neue Nachfrageausblick des Weltstahlverbandes worldsteel enthält als kleinen Paukenschlag eine deutliche Revision der Nachfrageeinschätzung für den chinesischen Markt. Diese unterstreicht nicht nur, wie groß dort das Problem mangelnder Datenqualität ist, sondern hat auch Folgen für die Dynamik am Weltstahlmarkt und für das Verständnis der diesjährigen Stahlmarktentwicklung.
Nicht Eisenerz, Kokskohle oder Schrott beschäftigen derzeit auf der Rohstoffseite viele Stahleinkäufer, sondern Graphit-Elektroden. Dabei handelt es sich um einen Kostenfaktor, mit dem bisher kaum jemand zu tun hatte. Zweifellos weist die Marktentwicklung bei Graphit-Elektroden in diesem Jahr eine besondere Dynamik auf. Höhere Preise und Versorgungsprobleme werden vor allem im Langprodukte- und Edelstahlbereich als Argument für höhere Preise herangezogen. Eine nähere Betrachtung macht deutlich, dass die Auswirkungen von höheren Graphit-Elektrodenpreisen auf die Herstellungskosten einzelner Stahlerzeugnisse oder Stahlunternehmen nicht pauschal beziffert werden können. Bei den zu berücksichtigenden Parametern gibt es eine große Spanne, die eine individuelle Betrachtung nahelegt.
In der hiesigen Öffentlichkeit wird weiter viel über Überkapazitäten am chinesischen Stahlmarkt und über die daraus resultierenden vermeintlichen Dumpingpreise gesprochen. Noch recht wenig Beachtung findet dagegen der Höhenflug der chinesischen Stahlpreise in diesem Jahr, der die Stahlmärkte weltweit anschiebt. Obwohl chinesischer Stahl mehr und mehr durch Antidumping-Zölle vom EU-Markt ferngehalten wird, sind die Auswirkungen auch in Europa zu spüren. Die Geschichte des auf dem Weltmarkt lastenden chinesischen Marktes passt nicht mehr zum tatsächlichen Geschehen. Eine Neu-Erzählung scheint nötig. Für Stahlverarbeiter ergeben sich daraus neue Risiken.
Der Preisrückgang bei Flachstahl ist im Juli vorerst ausgelaufen. Dafür verantwortlich ist eine scharfe Kehrtwende am Importmarkt. Von China ausgehende höhere Weltmarktpreise schlagen sich auf der EU-Importseite nieder. Dies mindert für EU-Hersteller den Preisdruck. Ob die bei Flachstahl teilweise schon für das vierte Quartal avisierten höheren Preise tatsächlich kommen werden, hängt vor allem von der weiteren Weltmarktentwicklung ab. Einiges spricht dafür, dass die Preise in China durchaus wieder sinken könnten. Sicher ist das aber nicht. Derweil wird die EU demnächst weitere Anti-Dumping-Maßnahmen beschließen. Nach den bisherigen Eindrücken wird das zwar den Importwettbewerb spürbar schwächen, aber nicht ausschalten.
Während am EU-Flachstahlmarkt der Preistrend im Juni klar nach unten zeigt, wurde auf der Anbieterseite ein wichtiger Schritt hin zu einer Neuordnung getan: das größte italienische Stahlunternehmen Ilva wird an ein Konsortium unter Führung des Weltmarktführers ArcelorMittal verkauft. Damit fand eine jahrelange Hängepartie ihren Abschluss. Für europäische Stahlverarbeiter sind die Folgen ambivalent. Einerseits nimmt die ohnehin schon geringe Zahl der EU-Flachstahlanbieter weiter ab und der von Italien ausgehende Preisdruck dürfte spürbar schwächer werden. Andererseits soll die Ilva-Erzeugung wieder deutlich steigen und das Angebot an höherwertigen Stahlgüten mit Verwendung zum Beispiel im Automotive-Bereich dürfte zunehmen.
Die Spotmarktpreise für Flachstahl sind im März auf den höchsten Stand seit dem Frühjahr 2011 gestiegen. Die Unterstützung für dieses hohe Niveau schwindet nun. Am Spotmarkt sind seit einigen Wochen zunehmende Entspannungszeichen zu beobachten und die Preise beginnen in vielen Fällen zu sinken. Bei den meisten Einflussfaktoren haben die Vorzeichen gedreht. Aktuell sprechen vier Gründe dafür, dass die Preise spürbar unter das im ersten Quartal erreichte Plateau zurückfallen. Ob es außerhalb des Spotmarktes auch bei Verträgen für das zweite Halbjahr zu einer Entlastung kommen wird, ist aber noch offen. Ein großer Risikofaktor aus Einkäufersicht bleibt die Antidumping-Politik der EU. Aber auch andere Einflüsse können sich schnell ändern.
Die Handelspolitik gehört weiterhin zu den am heißesten diskutierten Stahlmarkt-Themen. Zuletzt machte die Verhängung von Antidumping-Zöllen gegen deutsche Stahlhersteller durch die US-Behörden Schlagzeilen. Die Entscheidung zeigt, dass die Grenzen zwischen legitimen Antidumping-Maßnahmen und Protektionismus fließend sind. Es ist daher wichtig, den Dumpingbegriff nicht inflationär und beliebig zu verwenden. Nicht jeder günstige Importpreis ist ein Dumpingpreis. Das Antidumpingrecht darf nicht als Schutzmittel gegen unerwünschte Folgen der Globalisierung missbraucht werden.
Ein wesentlicher Unterstützungsfaktor für den weltweiten Stahlpreisanstieg in den vergangenen Monaten war die unerwartet robuste Entwicklung des chinesischen Stahlmarktes. Diese scheint aber zunehmend eher von einer positiven Stimmung als von entsprechenden Fakten getragen. Die Wahrscheinlichkeit für einen Preisrückschlag ist hoch. Sollte dieser eintreten, hätte dies auch Folgen für den europäischen Stahlmarkt. Denn erst wenn das zuletzt eher laue Lüftchen der Weltmarktpreise zum Sturm wird, kann sich auch hierzulande zeigen, wie stark das Stahlpreis-Fundament tatsächlich ist.
Die Flachstahlpreise sind seit dem 4. Quartal 2016 sowohl im Spot- als auch im Kontraktgeschäft stärker gestiegen als die Rohstoffkosten. Spürbar niedrigere Kokskohlepreise schlagen sich bisher nicht in sinkenden Stahlpreisen nieder. Erklärt wird dies häufig mit einer engen Angebots-Nachfrage-Relation. Aber ist Stahl am deutschen Markt wirklich knapp? Neue Markdaten liefern dazu aufschlussreiche Informationen.
In derselben atemberaubenden Geschwindigkeit, in der die internationalen Notierungen für Kokskohle bis November 2016 gestiegen sind, haben sie sich in den vergangenen Wochen wieder verbilligt. Trotz der im Vergleich zu November höheren Eisenerzpreise sind die Rohstoffkosten für die Stahlherstellung via Hochofenroute unter dem Strich spürbar gesunken. Ob und wann dies zu wieder sinkenden Flachstahlpreisen führt, ist aber offen. Denn die Versorgungslage bleibt in Teilen des Marktes angespannt, nicht zuletzt aufgrund der weiter harten Antidumping-Linie der EU-Kommission.