Stahlmarkt Consult Blog
Eingetrübte Konjunktur lässt Metallpreise wieder fallen
Während die Metallpreise im März geradezu explodiert sind, ist seit einigen Wochen eine Korrektur zu beobachten. Sei Anfang April sind viele Notierungen deutlich gefallen. Nachdem zunächst die Sorge vor kriegsbedingten Angebotsausfällen den Markt dominierte, rückt nun mehr und mehr die Nachfrageseite in den Blick. Zahlreiche Faktoren führen zu reduzierten Konjunkturerwartungen. Neue Prognosen sehen für die Stahlnachfrage in Deutschland und der EU nun Rückgänge anstatt der zuvor erwarteten Zuwächse. Am automobilorientierten Flachstahlmarkt geben die Spotmarktpreise deutlich nach. Bei anderen Stahlerzeugnissen könnte zumindest der Peak der Preise nun erreicht sein.
Teilweise deutlicher Rückgang bei Metallnotierungen
Ohne größere Beachtung in der breiten Berichterstattung sind viele Metallpreise in den vergangenen Wochen deutlich gefallen. Dies betrifft sowohl börsengehandelte Metalle wie Aluminium, Kupfer und Nickel als auch die für die Stahlerzeugung wichtigen Rohstoffe Eisenerz und Stahlschrott. Einzig bei Kokskohle notieren die Preise Mitte Mai höher als Anfang April. Insgesamt ist bei vielen Metallen wieder das Niveau von vor dem Beginn des Krieges in der Ukraine erreicht.
Der explosionsartige Preisanstieg im März scheint sich damit als nicht nachhaltig zu erweisen. Während zunächst die Furcht vor kriegsbedingten Angebotsausfällen die Märkte dominierten, gewinnen nun andere Faktoren an Gewicht. Dazu gehören vor allem die reihenweise nach unten korrigierten Konjunkturprognosen. Neben dem durch den Kriegsausbruch verschärften Anstieg der Energiepreise in Europa drücken die Folgen der harten Corona-Politik in China und die bevorstehende Zinswende in den USA die Erwartungen nach unten. Die Folge wird ein verringerter Bedarf an Metallen sein. Zudem wurde wieder einmal die enge Bindung der Metallnotierungen an die Finanzmärkte und die damit verbundene Anfälligkeit für stimmungsgetriebene Übertreibungen deutlich.
Ob es sich bei der laufenden Korrektur nun ebenfalls um eine Übertreibung oder um eine Annäherung an realistische Bewertungen handelt, ist noch unklar. Denn die aus hohen Marktanteilen Russlands und der Ukraine resultierenden Verknappungstendenzen bei einzelnen Metallen sind real. Zwar sind schon einige Lieferströme neu organisiert worden. Aber nicht alle Ausfälle sind leicht zu kompensieren. Wenn sich Angebot und Nachfrage aber mit hoher Dynamik verändern, ist der Netto-Effekt schwer vorherzusehen. Klar ist aber, dass sich rekordhohe Metallpreise kaum mit einer deutlich schwächelnden Weltwirtschaft vertragen.
Stahlnachfrage: Prognosen nach unten korrigiert
Erwartungsgemäß bleibt auch die Stahlnachfrage nicht von diesen Entwicklungen verschont. Neue Prognosen nennen dazu erste Zahlen. Der Mitte April vorgelegte Ausblick des Weltstahlverbandes worldsteel erwartet für Deutschland in diesem Jahr einen Rückgang der Stahlnachfrage um 0,6%, nachdem im Oktober 2021 noch ein Plus von 13,3% erwartet worden war. Für die EU wurde die Erwartung von +5,5% auf -1,3% reduziert. Der europäische Stahlverband Eurofer hat Anfang Mai seine Nachfrageerwartungen für die EU von +3,2% im Februar auf -1,9% nach unten korrigiert. Unter den einzelnen Abnehmerbereichen fällt die Korrektur für die Automobilindustrie am stärksten aus. Hier wurden die Erwartungen für den stahlgewichteten Produktionszuwachs von 10,3% auf nur noch 4,9% mehr als halbiert. Diese Zahlen werden im Laufe des Jahres wahrscheinlich noch Modifikationen erfahren, geben aber bereits eine Richtung vor.
Flachstahlpreise fallen
Am Flachstahlmarkt ist ein Versorgungsnotstand wie im Vorjahr bisher nicht erkennbar. Die schwache Produktionsentwicklung in der Automobilindustrie und hohe Bestände bei Service-Centern und Verbrauchern drücken den Stahlbedarf. Entsprechend zeigen die Spotmarktpreise seit einigen Wochen eine deutlich fallende Tendenz. Der Anstieg der Preise im März ist immerhin um ungefähr die Hälfte wieder korrigiert worden. Bei baunahen Erzeugnissen und Grobblechen blieben die Preise zuletzt auf dem zuvor erreichten sehr hohen Niveau. Obwohl die Lieferausfälle aus den Krisenländern hier stärker wirken, zeigen sich aktuell zunehmende Schwächetendenzen. Bei Langprodukten dürften diese durch die stark gefallenen Schrottpreise verstärkt werden. Bei Rostfrei-Erzeugnissen werden Verwender der entsprechenden Güten vom Rückgang der Nickelnotierungen profitieren. Nicht nur die Risiken bei der Energieversorgung und -kosten sorgen dafür, dass die Unsicherheit am Stahlmarkt weiter hoch bleibt. Dennoch könnte für Verbraucher die schlimmsten Preisauswüchse überstanden sein.
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