Stahlmarkt Consult Blog
Flachstahl: Nachfrageschwäche steht höheren Preisen im Wege
Der seit Herbst 2018 am deutschen Spotmarkt zu beobachtende Preisrückgang bei Flachstahl ist zwar im Februar 2019 zunächst einmal zum Stillstand gekommen. Die seitdem herstellerseitig verschiedentlich unternommenen Versuche, die Preise wieder anzuheben, bleiben bisher aber ohne schlagenden Erfolg. Zwar gibt es durchaus einige Argumente für höhere Preise. Diese werden aber überlagert von der anhaltenden schwachen Stahlnachfrage aus der Automobilindustrie, die gerade bei Blechen stark zu spüren ist. Eine schnelle Besserung ist derzeit nicht in Sicht.
Aus Sicht der EU-Flachstahlhersteller sprachen im Februar vor allem drei Argumente dafür, höhere Verkaufspreise anzustreben: Höhere Preise für Eisenerz, steigende Exportnotierungen in einigen Regionen des Weltmarktes und schwindende Preisvorteile von EU-Drittlandimporten gegenüber EU-Angeboten. Wie sich im März gezeigt hat, war bisher keiner dieser Gründe stark genug, um die anhaltende Nachfrageschwäche auszugleichen.
Diese geht auf die allgemeine Konjunkturabschwächung zurück, vor allem aber auf die seit Monaten geringe Stahlnachfrage aus der Automobilindustrie. Das ist genau die Abnehmerbranche, auf die sich die großen EU-Flachstahlhersteller in den vergangenen Jahren immer stärker fokussiert haben. Mittlerweile ist klar, dass die im Herbst 2018 vielfach geäußerte Erwartung, nach der bewältigten WLTP-Umstellung komme es zu einer schnellen Gegenbewegung, trügerisch war. Nachdem die Schwäche nun schon ein halbes Jahr dauert, ist eine schnelle Wende immer noch nicht in Sicht. Immer unklarer wird, welchen Anteil der „Sondereffekt Prüfzyklusumstellung“ gegenüber den zahlreichen strukturellen Herausforderungen der Automobilindustrie hat.
Anekdotische Berichte, wonach die Stahlbedarfe der Automobilindustrie in den ersten Monaten des Jahres 2019 um ca. 10-15% unter dem Vorjahr gelegen haben, decken sich mit harten Fakten: Die deutsche PKW-Produktion lag nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) in den ersten beiden Monaten des Jahres um 10% niedriger als im Vorjahr, ebenso der Export. Die Auftragseingänge der deutschen Stahlindustrie unterschritten nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Januar 2019 das Vorjahresniveau um 16%. Schon im vierten Quartal 2018 war ein Minus von 12% zu verzeichnen.
Ein solch starker Nachfrageeinbruch führt zu kürzeren Lieferzeiten der Werke und zu einem Wettbewerb um Auslastung. In diesem Umfeld müssen externe Faktoren wie Rohstoffkosten und Weltmarktpreise schon sehr stark wirken, um höhere Preise zu ermöglichen. Dies war bisher offenbar nicht der Fall, zumal auch auf dem Weltmarkt viel Unsicherheit lastet und sich teilweise schon wieder eine Abschwächung zeigt.
Wie lange dieser Zustand andauern wird, ist schwer zu sagen. Nach aktuellem Stand scheint es gut möglich, dass die am Stahlmarkt eigentlich übliche Frühjahrsbelebung in diesem Jahr komplett ausfällt. Die aktuelle Flut an Negativmeldungen und die vielfach reduzierten Konjunkturprognosen sind Gift für den sonst zu dieser Jahreszeit eigentlich üblichen Bestandsaufbau.
Eine Belebung im späteren Jahresverlauf ist zwar durchaus möglich, aber keinesfalls sicher. Der VDA rechnet aktuell damit, dass die deutsche PKW-Produktion im Inland in diesem Jahr um 5% sinken wird. Für die Automobilindustrie sind ein ungeordneter Brexit und drohende US-Zölle echte Damoklesschwerter, dazu kommt eine akute Nachfrageschwäche am wichtigen chinesischen Markt.
Zwar rechnen weitere wichtige Stahlabnehmerbranchen wie die Stahl- und Metallverarbeitung, der Maschinenbau und die Bauindustrie für dieses Jahr noch mit einem leichten Produktionswachstum. Aber auch hier macht sich die allgemeine Unsicherheit bemerkbar. Allerdings darf auch nicht vergessen werden, dass das erreichte Produktionsniveau auf sehr hohem Niveau liegt. Ob die Stimmung schlechter ist als die Lage oder umgekehrt, wird sich erst im Jahresverlauf zeigen. Derzeit sieht es so aus, als ob für die Stahlnachfrage in Deutschland schon eine „schwarze Null“ für 2019 ein großer Erfolg wäre.