Stahlmarkt Consult Blog

In meinem Stahlmarkt-Blog befasse ich mich mit Neuigkeiten aus der Stahlmarkt-Welt und analysiere Trends und Marktentwicklungen.

Stahlnachfrage: Durchgreifende Belebung nicht in Sicht

Ähnlich wie im Vorjahr ist die Stahlnachfrage nach einem guten Jahresauftakt abgestürzt. Zwar sieht das Verlaufsmuster ähnlich aus, es gibt aber Unterschiede. Anders als 2021 sind derzeit keine Zeichen einer durchgreifenden Belebung zu erkennen. Die Stahlnachfrage dürfte für längere Zeit schwach bleiben. Neben den hohen Energiekosten ist das der zweite Grund für die zuletzt vielfach angekündigten Produktionsrücknahmen in der Stahlindustrie. Die Sonderkonjunktur in der Stahlindustrie scheint nach zwei Jahren nun endgültig vor dem Ende zu stehen.

Absturz des Bestelleingangs in der Stahlindustrie  
Die Auftragseingänge der Stahlindustrie haben in den vergangenen Monaten einen regelrechten Absturz erlebt. Nach einem ordentlichen Jahresauftakt und einem durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Hoch im März ging es nur noch nach unten. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes lag der Bestelleingang im Juli fast 40% niedriger als im März und um 24% unter dem Wert vom Juli 2021.

Mehrere Faktoren trugen zu dieser Entwicklung bei. Die durch den Kriegsausbruch neu belebten Versorgungsängste vieler Marktteilnehmer haben sich weitgehend als unbegründet erwiesen. Ausfallende Importe aus der Ukraine und aus Russland konnten relativ gut mit anderen Lieferländern gefüllt werden. Auch die ausfallenden Lieferungen an Kokskohle und Eisenerz konnten weitgehend kompensiert und damit Produktionseinbrüche in der EU-Stahlindustrie vermieden werden. Auf der Absatzseite blieben die Abrufzahlen aus der Automobilindustrie weit hinter den Planungen zurück. Schließlich drückt auch die sich eintrübende Konjunktur auf die Stahlnachfrage. Im Ergebnis sind die im Frühjahr aufgebauten Bestände in Handel und Industrie immer noch nicht abgebaut. 

Stahl-Sonderkonjunktur steht vor dem Ende
Im Vorjahr folgte auf die Sommerpause ein spürbarer Anstieg der Bestellungen. Dies entspricht einem in der Stahlindustrie häufig zu beobachtenden saisonalen Muster. Daher ruhten die Hoffnungen vieler Stahlhersteller auf einer Markterholung im September. Diese ist bisher aber allenfalls in Ansätzen eingetreten. Zwar zieht die Produktion der Automobilindustrie – auf niedrigem Niveau - wieder an. Vielfach werden aber angekündigte Abrufmengen weiterhin verschoben oder storniert. Vor allem verhindern aber die hohen Bestände und die äußerst unsicheren Aussichten, dass Marktteilnehmer auf breiter Ebene wieder zu größeren Eindeckungen bereit sind. Kurze Lieferzeiten der Werke ermöglichen es, eine abwartende Haltung einzunehmen.

Nicht nur bei der punktuellen Bestandsaufnahme unterscheidet sich die Situation vom Vorjahr. Im gesamten bisherigen Jahresverlauf liegt die Stahlnachfrage auf einem deutlich niedrigeren Niveau. In den ersten sieben Monaten lagen die Auftragseingänge der Stahlindustrie um mehr als 17% unter dem Vorjahr. Die Auftragsreichweite der Branche ist auf den niedrigsten Stand seit August 2020 gefallen. Und die um sich greifende Energiekrise, hohe Inflationsraten, steigende Zinsen und trübe Konjunkturerwartungen verheißen nichts Gutes für die Stahlnachfrage. Die noch im August vorgelegte Prognose des europäischen Stahlverbandes Eurofer, nach der die Stahlnachfrage in der EU 2023 wieder um 5,6% wachsen sollte, dürfte sich als deutlich zu optimistisch erweisen. Nachdem immer mehr Forschungsinstitute für Deutschland und zunehmend auch für die EU im kommenden Jahr eine schrumpfende Wirtschaftsleistung vorhersagen, ist auch für die Stahlnachfrage ein weiterer Rückgang wahrscheinlich. Deutliche Bremsspuren bei den Bauaktivitäten zeichnen sich bereits klar ab. Die noch hohen Auftragsbestände in weiten Teilen der Industrie wirken auf den ersten Blick beruhigend, könnten sich aber auch schnell als Makulatur erweisen.

Vor diesem Hintergrund sind auch die zuletzt zahlreich angekündigten Produktionsrücknahmen der Stahlhersteller zu sehen. Nachdem die Erzeugung bisher deutlich weniger als die Nachfrage gefallen ist, sind weitere Anpassungen unumgänglich. Dies gilt umso mehr, als die Drittlandimporte der EU auf einem hohen Niveau liegen. Damit sind nicht nur die hohen Energiekosten, sondern auch eine realistische Einschätzung der Nachfrageperspektiven eine Motivation für die Anpassung der Erzeugung. Diese Feststellung ändert nichts daran, dass die Energiekrise die Produktionsfähigkeit der gesamten Industrie ernsthaft bedroht.  

Die Sonderkonjunktur in der Stahlindustrie scheint nach zwei Jahren nun endgültig vor dem Ende zu stehen. Ob dies mit einer „Normalisierung“ gleichzusetzen ist, bleibt angesichts der zahlreichen Unwägbarkeiten und Risiken abzuwarten.    

© StahlmarktConsult Andreas Schneider. Verwendung nur mit Quellenangabe erlaubt.

Was bedeuten wieder niedrigere Energiepreise für d...
Der schwierige Umgang mit hohen Energiekosten
 

Stahlmarkt Consult Andreas Schneider | Schleiermacherstr. 7 | 51377 Leverkusen Tel.: 0214 / 3122 8164 | E-Mail: info(at)stahlmarkt-consult.de

Back to top

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklärst du dich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Hier erfahren Sie mehr zu unseren Cookie-Einstellungen. Datenschutz-Hinweise.

  Cookie-Hinweis gelesen und akzeptiert