Stahlmarkt Consult Blog

In meinem Stahlmarkt-Blog befasse ich mich mit Neuigkeiten aus der Stahlmarkt-Welt und analysiere Trends und Marktentwicklungen.

Unerwartete Preisexplosion bei Kokskohle macht Rohstoffkosten wieder zum Thema

Am internationalen Kokskohlemarkt war in den vergangenen Wochen eine regelrechte Preisexplosion zu beobachten. Die Gründe dafür sind in erster Linie in China zu finden. Auch wenn sich höhere Spotmarktpreise in vielen Fällen nicht unmittelbar und 1:1 auf die Rohstoffkosten der Stahlerzeuger auswirken – bei der Stahlerzeugung via Hochofenroute werden die Kosten deutlich steigen. Für die Flachstahlpreise resultiert daraus ein weiterer Unterstützungsfaktor. Wie lange der Preisboom anhält, ist offen.

Kokskohle (als Einsatzstoff für die Herstellung von Hüttenkoks) ist neben Eisenerz der wichtigste Kostenfaktor bei der Stahlerzeugung via Hochofenroute. Die Spotmarktpreise für hochwertige Kokskohle-Qualitäten sind in den vergangenen Wochen rasant und in großen Tagessprüngen gestiegen. Nach einem Preis von noch ca. 95,- $/t fob Australien im Juli wurden im September Preise oberhalb von 200,- $/t erzielt. Damit ist das höchste Preisniveau seit Sommer 2012 erreicht. In einer vom Fachdienst Metal Bulletin im Juli durchgeführten Umfrage unter Analysten waren noch fast alle Teilnehmer für das 3. Quartal 2016 von Preisen zwischen 80,- und 100,- $/t ausgegangen und die höchste Prognose hatte bei 105,- $/t gelegen.      

Die Gründe für diese absolut unerwartete Preisexplosion sind in erster Linie in China zu finden. Ausgangspunkt war eine Angebotsknappheit am dortigen Markt. Durch behördlich verordnete Minenschließungen und weitere Maßnahmen wie die Reduzierung der jährlichen Arbeitstage in den Minen um knapp 20% ist die Kohleförderung in diesem Jahr gesunken. Nach Schätzungen beträgt der Rückgang der gesamten chinesischen Kohleerzeugung ca. 10% gegenüber dem Vorjahr. Zudem haben im Juli schwere Regenfälle in Nordchina zu erheblichen logistischen Problemen bei der inländischen Weiterverteilung der geförderten Kohle geführt. Die chinesischen Stahlunternehmen mussten sich daher verstärkt dem Importmarkt zuwenden.  Alleine im August lagen die Kokskohleimporte des Landes um mehr als 50% über dem Vorjahresmonat. In den ersten acht Monaten des Jahres wurden 17,5% mehr importiert. Auch die Inlandspreise sind in diesem Jahr deutlich angestiegen, allerdings nicht so stark wie die von australischen Anbietern dominierten Weltmarktpreise.

Der sprunghafte Anstieg der chinesischen Nachfrage führte am internationalen Spotmarkt zu einer plötzlichen Knappheit. Insbesondere Käufer mit kurzfristigem Bedarf waren gezwungen, sehr hohe Preise zu zahlen. Grundsätzlich findet nur ein Teil des internationalen Handels spotmarktbasiert über Plattformen wie z.B. gobalCOAL statt, während ein erheblicher Teil nach wie vor über längerfristige Kontrakte abgewickelt wird. Daher sind die freien Mengen begrenzt, zumal im September zusätzlich über wetterbedingte Schwierigkeiten in großen australischen Minen berichtet wurde. Zudem wird in Analysen darauf verwiesen, dass sich das nordamerikanische Angebot nach zahlreichen Minenschließungen spürbar reduziert hat, so dass sich Käufer zum Beispiel aus Europa stärker dem australischen Angebot zuwenden. 

Der äußerst dynamische Anstieg der Spotmarktpreise hat die noch nicht abgeschlossenen Gespräche zwischen australischen Kohlefördern und japanischen Stahlwerken über den für das 4. Quartal geltenden Benchmarkpreis überschattet. Dieser Preis hat große Bedeutung auch für europäische Stahlhersteller, von denen viele wenigstens einen Teil ihres Bedarfes über Quartalskontrakte decken. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters liegt die Forderung der Anbieter bei 200,- $/t fob für hochwertige Qualitäten. Für das dritte Quartal hatte der Richtpreis noch bei 92,50$/t fob Australien gelegen.

Durch den Preissprung bei Kokskohle sind die Rohstoffkosten der Hochofenroute, die sich im Frühjahr zwischenzeitlich beruhigt hatten, im dritten Quartal durchgängig angestiegen. Das StahlmarktConsult-Modell zur Berechnung der Rohstoffkosten zeigt, dass bei weitgehend stabilen Eisenerz- und Schrottpreisen alleine der Preisanstieg bei Kokskohle im September zu einem Anstieg der Rohstoffkosten um ca. 30,- €/t führte. Damit ist das höchste Kostenniveau seit Mai 2014 erreicht.  Das Rechenmodell basiert auf den am Spotmarkt berechneten Monatsmittelwerten und berücksichtigt tageweise Schwankungen ebenso wenig wie die Kontraktpreise. Auch wenn somit nur ein allgemeiner Trend erfasst wird, so wies dieser in den vergangenen drei Monaten doch klar nach oben.

Daraus ergibt sich für die europäischen Flachstahlpreise ein weiterer Unterstützungsfaktor. Zwar verweisen die hiesigen Erzeuger in diesen Tagen eher auf die hohe Auslastung ihrer Kapazitäten und auf die teilweise angespannte Versorgungslage, um die angestrebten höheren Preise zu rechtfertigen. Diese Argumentation macht insofern Sinn, als sich die Stahlpreise im ersten Halbjahr weit von den Rohstoffkosten entfernt hatten. Dennoch wird die Entwicklung am Kokskohlemarkt mit Sicherheit eine Rolle bei anstehenden Preisverhandlungen spielen.

Unter Marktbeobachtern ist es umstritten, wie sich die Preise für Kokskohle kurzfristig entwickeln werden. Manche Experten halten das aktuelle Preisniveau für nicht haltbar und erwarten wegen einer wieder besseren Angebotssituation am Weltmarkt und eines schwächeren chinesischen Stahlmarktes baldige Rückgänge für wahrscheinlich. Andere Experten halten eine kurzfristige Änderung nicht für wahrscheinlich, da die chinesische Führung ihre restriktive Linie trotz entsprechender Eingaben der Stahlhersteller nicht aufgeben wolle. Ohne eine höhere Produktion in den chinesischen Minen könne sich die Preissituation nicht entspannen, heißt es. Damit dürfte die weitere Preisentwicklung kurzfristig vor allem von politischen Einflüssen abhängen. Unter Umständen halten die Preise das jetzige Niveau noch länger, als es Stahleinkäufern lieb ist. 

Lesen Sie mehr zu den aktuellen Einflüssen und Aussichten am Stahlmarkt im neuen Stahlmarkt-Brief. Die nächste Ausgabe erscheint Anfang Oktober 2016.

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Stahlmarkt Consult Andreas Schneider | Schleiermacherstr. 7 | 51377 Leverkusen Tel.: 0214 / 3122 8164 | E-Mail: info(at)stahlmarkt-consult.de

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