Stahlmarkt Consult Blog
Ausblick auf das Stahljahr 2014: Einfach wird es nicht
Der Weltstahlverband worldsteel hat Anfang Oktober seine neue Prognose zur Entwicklung der Weltstahlnachfrage vorgelegt. Demzufolge wird die globale Nachfrage nach Walzstahlerzeugnissen 2013 um 3,1% und 2014 um 3,3% wachsen. Schaut man sich die einzelnen Regionen an, so entfällt auf die EU im kommenden Jahr mit 2,1% das schwächste Wachstum, wobei sie schon in diesem Jahr mit einem Minus von 3,8% als einzige Region der Welt einen Rückgang aufweist. Eingeflossen ist in die Prognose auch die Vorhersage der Wirtschaftsvereinigung Stahl für den deutschen Markt: Nach einem Rückgang der Stahlnachfrage um 1,6% in diesem Jahr wird für 2014 ein Zuwachs von rund 3% erwartet.
Für eine Bewertung dieser Zahlen lohnt der Blick ein Jahr zurück. Sind die damaligen Vorhersagen eingetroffen? Der erste Eindruck ist, dass worldsteel mit seinen damaligen Erwartungen gar nicht so schlecht lag. Der vor einem Jahr vorhergesagte globale Zuwachs von 3,2% wird 2013 offenbar fast genau erreicht werden. Bei der Verteilung des Wachstums auf die Regionen lag der Verband aber in zwei Fällen deutlich daneben. Der Nachfragezuwachs in China wurde stark unterschätzt. Mit dem nun erwarteten Plus von 6% wächst der Stahlbedarf in China fast doppelt so stark wie vor einem Jahr erwartet. Vom globalen Zuwachs entfallen in diesem Jahr 4/5 auf China.
Für die EU waren die vor einem Jahr gehegten Erwartungen viel zu positiv. Nach der neuen Vorhersage werden hier in diesem Jahr 135 Mio. Tonnen Walzstahl verbraucht, während vor einem Jahr noch 148 Mio. Tonnen erwartet worden waren. Damit fällt das Marktvolumen um immerhin 9% niedriger aus als gedacht. Wenn man zudem bedenkt, dass im Spitzenjahr 2007 in der EU noch über 200 Mio. Tonnen Walzstahl benötigt wurden, wird die Dramatik der Situation noch klarer.
In Deutschland stellt sich die Lage zwar vergleichsweise besser dar. Aber auch hier waren die Erwartungen vom Oktober 2012 zu optimistisch. Die Marktversorgung mit Walzstahl ist 2012 um 7% statt der zunächst erwarteten 5% gesunken, um dann in 2013 nochmals leicht zu sinken anstatt mit 1-2% zu wachsen. Im Ergebnis wird in diesem Jahr das Marktvolumen von 2007 voraussichtlich um ca. 13% unterschritten.
Das jetzt für Deutschland prognostizierte Nachfragewachstum von 3% im kommenden Jahr kann erreicht werden. Vor allem das von den meisten Konjunkturforschern erwartete Anziehen der Investitionen könnte der Stahlnachfrage zugutekommen. Fraglich ist indes, inwiefern Lagereffekte stützend wirken werden. Die bereits seit längerem für einen Aufschwung ins Feld geführten niedrigen Lagerbestände haben in dieser Hinsicht schon einige Male enttäuscht. Möglicherweise werden frühere Bestandshöhen aus strukturellen Gründen in absehbarer Zeit nicht mehr erreicht.
Im Hinblick auf die Preisbildung nützt auch das stärkste Nachfragewachstum nur wenig, wenn das Angebot weit über der Nachfrage liegt. Letztlich ist daher die Frage zweitrangig, ob die deutsche Stahlnachfrage im kommenden Jahr um 1%, 2% oder 3% wachsen wird. Denn während einzelne Prognosewerte immer mit Unsicherheit behaftet sind, ist eine Erkenntnis so gut wie sicher: Auf dem deutschen und erst recht auf dem europäischen Stahlmarkt wird die Nachfrage nicht so stark wachsen, dass das Merkmal einer strukturellen Überversorgung vom Markt verschwinden wird. Diese ist zwar von Erzeugnis zu Erzeugnis unterschiedlich stark ausgeprägt und kann nicht auf die letzte Tonne beziffert werden, aber das zugrundliegende Problem betrifft alle Stahlerzeugnisse.
Dies bedeutet, dass die „Jagd nach Menge“ und der damit verbundene Preiswettbewerb auch im nächsten Jahr anhalten werden. Daran werden wie in diesem Jahr Stahlanbieter von innerhalb und außerhalb der EU teilnehmen. Größere Preisanhebungen sind in diesem Umfeld nur möglich, wenn ein starker Anstieg der Rohstoffkosten praktisch jeden Anbieter dazu bringt, die Preise anzuheben.
Ein solcher Preisschub bei den für die Stahlerzeugung relevanten Rohstoffen ist derzeit nicht in Sicht. Der „Super-Zyklus“ der für die Stahlerzeugung relevanten Rohstoffe scheint beendet zu sein, die Preise haben sich um mindestens 20% von ihren 2011 erreichten Höchstwerten entfernt. Bei Eisenerz und Kokskohle kommen neue Kapazitäten auf den Markt. Das globale Wachstum der Stahlnachfrage wird sich dagegen nach den vorliegenden Schätzungen von durchschnittlich 4,5% p.a. im Zeitraum 2007-2011 auf durchschnittlich 2,3% p.a. in den Jahren 2012-2014 fast halbieren. Damit wird bei den Rohstoffen die Nachfragedynamik schwächer. Dies spricht dafür, dass die Rohstoffpreise mittelfristig eher sinken als steigen werden. Allerdings waren die Rohstoffmärkte in den vergangenen Jahren für mehr als eine Überraschung gut und daher bleibt für Stahleinkäufer Wachsamkeit angesagt.
Insgesamt könnten sich leicht positive Effekte von der Nachfrageseite und ein (möglicherweise erst im zweiten Halbjahr wirksamer) leicht dämpfender Effekt von der Rohstoffseite im kommenden Jahr neutralisieren. Solange Sondereinflüsse ausbleiben, erwarte ich, dass sich die Stahlpreise im kommenden Jahr unter kurzfristigen Schwankungen auf einem ähnlichen Niveau wie 2013 bewegen werden.
„Wachstum“ und „Stabilisierung“ sind Überschriften zur europäischen Stahlindustrie, die von den nackten Bedarfserwartungen durchaus gedeckt sind. Nur täuschen diese Überschriften darüber hinweg, dass auch das Stahljahr 2014 aus Herstellersicht nicht einfach werden wird. Die mittlerweile von fast allen deutschen Stahlherstellern in Angriff genommenen Kostensenkungsprogramme zeigen, dass dies dort genauso gesehen wird.
© StahlmarktConsult Andreas Schneider. Nachdruck und Verwendung mit Quellenangabe ist erlaubt.