Stahlmarkt Consult Blog
Im Schlussquartal kaum Chancen für höhere Stahlpreise
Die europäischen Stahlerzeuger wollen mit Produktionsrücknahmen den Boden für wieder höhere Preise bereiten und hoffen für das Schlussquartal des Jahres auf eine anziehende Nachfrage. Auch wenn sich die Angebots-Nachfrage-Balance tatsächlich verbessern dürfte, werden höhere Preise wohl zum wiederholten Male in diesem Jahr nicht durchzusetzen sein. Verantwortlich dafür sind vor allem internationale Einflüsse. Denn sowohl Rohstoffnotierungen als auch Weltmarktpreise haben in den vergangenen Wochen deutlich nachgegeben.
Die Eisenerzpreise sind im August mit einem Rückgang um mehr als 30% regelrecht abgestürzt. Mit zwischenzeitlich nur noch wenig über 80,- $/dmt wurde wieder das Niveau vom Januar erreicht. Wichtigster Auslöser dafür war ein kräftiger Stimmungsumschwung am chinesischen Stahlmarkt, zu dem die Eskalation des Handelskonfliktes mit den USA maßgeblich beigetragen hat. Zudem sind die Lieferungen der wichtigsten Exportländer Australien und Brasilien wieder gestiegen. Zwar sind die Preise zuletzt wieder auf um die 90,- $/t geklettert. Dennoch dürfte am Eisenerzmarkt die längst überfällige Korrektur nun vollzogen sein. Denn das infolge des Dammbruchs vom Januar temporär erreichte Preisniveau von über 120,- $/t kann nur als spekulative Übertreibung gewertet werden.
Schon seit dem Frühjahr rückläufig sind die Preise für Kokskohle, dem zweiten wichtigen Rohstoff zur Stahlerzeugung über die Hochofenroute. Hier liegen die Preise mittlerweile um ca. 25% niedriger als am Jahresanfang, nachdem sich die meisten angebotsseitigen Probleme des Vorjahres weitgehend aufgelöst haben.
Die im StahlmarktConsult-Kostenmodell berechneten Rohstoffkosten der Hochofenroute sind im Augustmittel um fast 50,- €/t gefallen. Damit hat das wichtigste Argument der Stahlhersteller für höhere Preise stark an Gewicht verloren, auch wenn sie erst mit einer gewissen Verzögerung von den jüngsten Rückgängen profitieren werden.
Um mehr als 50,- $/t eingebrochen sind seit Ende Juli die Schrottpreise am türkischen Leitmarkt. Die im früheren Jahresverlauf geltenden Unterstützungslinien wurden dabei gerissen. Dies wird auch die Schrottpreise in Deutschland unter stärkeren Druck setzen. Damit sinken auch die Rohstoffkosten der Stahlherstellung im Elektrostahlverfahren, wenn auch im Vergleich etwas weniger stark.
Auch wenn Ursache und Wirkung nicht ganz klar sind: Das Umfeld am internationalen Stahlmarkt hat sich im August stark eingetrübt. Der Absturz der Rohstoffpreise hat die Stahlpreise am Weltmarkt verbreitet unter Druck gesetzt. Umgekehrt ist die an vielen Stellen schwache Nachfrage nach Stahlerzeugnissen ein Faktor für sinkende Rohstoffpreise.
An den Exportmärkten notieren die Preise vieler Halbzeuge und Walzstahlerzeugnisse am Jahrestief. In China sind sowohl die Inlands- als auch die Exportpreise deutlich gesunken. Indische und türkische Exporteure, die von einem jeweils schwachen Inlandsmarkt gebeutelt sind, haben ihre Preise zuletzt ebenfalls spürbar gesenkt. Dies dürfte den von Importen ausgehenden Preisdruck in der EU wieder anfachen. Am EU-Importmarkt wird schon über spürbare Preissenkungen berichtet.
Die EU-Stahlerzeugung ist gegenüber dem Vorjahr gesunken, wobei sich die angekündigten Produktionsdrosselungen in den bisher vorliegenden Zahlen nur bedingt wiederspiegeln. Die deutsche Rohstahlproduktion lag nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl im Juli um 5,3% unter dem Vorjahresmonat. Damit haben sich die Rückgänge im Vergleich zu den Vormonaten nur leicht verstärkt, wobei aber eine gewisse Verlagerung von den Elektrostahlwerken zur hochofenbasierten Erzeugung festzustellen ist. Für die EU beziffert der Weltstahlverband den Produktionsrückgang im Juli nur auf 0,2% gegenüber dem Vorjahr.
Aus Herstellersicht positiv war im 2. Quartal die Außenhandelsseite. Bei Flachstahl sind die Importe seit Mai deutlich gefallen. Im Juni wurde sogar erstmals seit mehr als vier Jahren wieder ein Exportüberschuss erzielt. Auch bei Langprodukten hat der Importdruck gegenüber dem Jahresanfang nachgelassen. Damit ist das Überangebot am EU-Markt insgesamt kleiner geworden. Ob sich dies so bis zum Jahresende fortsetzen wird, muss aber abgewartet werden.
Insgesamt dürfte die Angebots-Nachfrage-Balance im vierten Quartal zwar ausgeglichener sein als zuvor. Nachdem die Ferienmonate naturgemäß kaum echte Hinweise auf die Nachfrageaktivitäten geben konnten, bleibt die Entwicklung in den ersten Wochen nach der Sommerpause abzuwarten. Bisher zeigt sich keine wesentliche Belebung. Mit den oben geschilderten Einflüssen des Weltmarkt ist es sehr unwahrscheinlich geworden, dass es im vierten Quartal - wie von manchen Stahlherstellern proklamiert - aus lagerzyklischen Gründen zu steigenden Bestellungen kommen wird. Denn angesichts fallender Rohstoff- und Weltmarktpreise und zunehmend negativen Konjunkturmeldungen dürfte das Bestellverhalten sehr vorsichtig bleiben.
Damit scheinen aus heutiger Sicht für die kommenden Wochen, wenn überhaupt, allenfalls minimal höhere Preise realistisch. Für den Fall, dass eine Nachfragebelebung ausbleibt oder nur schwach ausfällt und die Rohstoffpreise nicht wieder anziehen, könnten die Stahlpreise sogar unter weiteren Druck geraten.
© StahlmarktConsult Andreas Schneider. Verwendung nur mit Quellenangabe erlaubt.